Zu den Ureinwohnern Namibias gehört das Volk der Mafwe, einer der fünf Caprivianer-Stämme, die im nordöstlichen Zipfel Namibias, dem Caprivi-Zipfel, leben. Diese traditionelle Gemeinschaft blickt auf eine bewegte Geschichte und eine reiche Kultur mit vielfältigen Traditionen.
Nach mündlichen Überlieferungen geht die Geschichte der Mafwe zurück bis ins 16. Jahrhundert, aber eine Dokumentation erfolgte erst durch die europäischen Kolonialmächte. Demnach wanderte das Volk der Mafwe im 18. Jahrhundert in die namibische Region Caprivi ein, ein Gebiet westlich des Kwando. Dort siedelten sich die Mafwe hauptsächlich im östlichen Caprivi an. Unter Chief Mamili verwalteten die Mafwe das um den Fluss Mashi herum liegende Gebiet. Die Familie Mamili ist bis heute die herrschende Dynastie der Mafwe.
Bei einem Distriktshandel zwischen den deutschen und den britischen Kolonialmächten fiel 1909 das Gebiet an die Deutschen. Dadurch, dass die Deutschen Chief Mamili zu ihrem Ansprechpartner bestimmten, erhielten die Mafwe bei den Kolonialisten ihre Anerkennung als Stamm.
Die deutsche Kolonialherrschaft dauerte fünf Jahre an, 1914 wurde sie von den Briten auf friedliche Weise abgelöst.
1920 teilte der Völkerverbund die Kontrolle über Caprivi Südafrika zu. Südafrika hatte aber ebenso wenig wie zuvor die Kolonialmächte ein Interesse an einer wirtschaftlichen Nutzung des Gebietes. Erst mit dem Odendaal-Plan von 1964 begann eine Entwicklung des Caprivis als südafrikanisches Grenzgebiet, woraufhin eine Widerstandsgruppe entstand, die sich zu einer Separatistenbewegung entwickelte. Zentrale Figur war dabei Mishake Muyongo, ein Angehöriger der Häuptlingsfamilie der Mafwe. Ende des letzten Jahrhunderts bereitete sich die Bewegung auf einen Kampf vor, woraufhin der namibische Staat begann, die Widerstandskämpfer aufzuspüren und dingfest zu machen. Muyongo, der damals amtierende Chief Boniface Bebi Mamili und tausende Bewohner Caprivis flüchteten nach Botswana. Der später stattfindende Aufstand wurde von der namibischen Armee innerhalb weniger Stunden niedergeschlagen.
Seitdem herrscht Ruhe in der Region. Nicht alle Mafwe stehen hinter der Idee eines unabhängigen Caprivi. Die Mafwe sind keine politische Gemeinschaft, in der alle derselben politischen Gesinnung folgen, sondern sie bilden eine „traditionelle Gemeinschaft“, mit einer selbst organisierten Verwaltung und einer eigenen Rechtsprechung. Den traditionellen Führern ist durch die Verfassung Namibias von 1990 ein Platz im politischen System Namibias eingeräumt. Sie agieren als Bindeglied zwischen ihrem Volk und der Regierung Namibias und vertreten die Interessen ihrer Gemeinschaft. Als Oberhaupt der Mafwe ist seit 1999 George Simasiku Mamili einer der „Könige des Caprivi“.
Wie viele afrikanische Völker besitzen die Mafwe einen umfangreichen Wissensschatz und spezielle Traditionen und Rituale. Vieles davon wurde während der Kolonialzeit unterdrückt oder schlichtweg verboten. Dazu gehören beispielsweise religiöse Zeremonien wie Gebete an die Vorfahren um Regen, für eine reiche Ernte, um Heilung bei Krankheiten oder um den Segen für Neugeborene. Teil der Kultur der Mafwe sind ebenfalls traditionelle Zeremonien, wie z.B. Initiationsriten, der Hochzeitstanz bei Eheschließungen oder althergebrachte Lieder und Gesänge.
Die Mafwe verfügen über ein einzigartiges Wissen über Pflanzen und Tiere. Dazu gehört nicht nur das Wissen, ob eine Pflanze giftig ist, sondern auch Methoden, mit denen im Zweifelsfall bestimmt werden kann, ob eine Pflanze oder eine Frucht genießbar sind. Dazu kommt die Kenntnis über den medizinischen Nutzen von Pflanzen, den Mafwe sind zahlreiche überlieferte Heilmethoden bekannt. Ebenso kennen sie traditionelle Zubereitungsarten, zu ihrer Nahrung gehören Mahangobrei, Hirse und Baobab-Früchte, die Früchte des Affenbrotbaumes.
Seit jeher leben die Mafwe von der Fischerei, dem Ackerbau und der Viehzucht. Früher fertigten sie sich selbst ihre Waffen wie Pfeile, Bögen und Speere an oder errichteten selbstgebaute Tierfallen. Handgearbeitete Körbe, Matten und Kleidung aus Bast gehören zu der Handwerkskunst der Mafwe, ebenso wie die Herstellung von Parfüm und Schmuck. Sie verfügen über Techniken, mit denen sie Werkzeug und Instrumente zu fabrizieren.
Ein großer Teil des Wissens wird mündlich überliefert. Zu ihrer Sprache gehören eine Reihe von Redewendungen und Sprichwörtern, mit denen ihre Weisheit und die ihnen eigene Lebensanschauung vermittelt wird. So verfügen die Mafwe über „entango“, Fabeln und Märchen mit erzieherischem Wert. Spiele wie „kanamundame“ und „mulabalaba“ sind vergleichbar mit Schach und trainieren die logischen Fähigkeiten. Beim Spiel „manduwani“ stellen die Kinder die Aufgaben und Verhaltensweisen der Älteren nach, ähnlich wie man es hier bei dem bei Kindern beliebten Spiel „Vater, Mutter, Kind“ kennt.
Das Volk der Mafwe setzt sich aus verschiedenen Clans zusammen, die sich oft in ihrem Dialekt unterscheiden. Früher war die Clanzugehörigkeit auch an der Kleidung erkennbar, verschiedene Clans benutzten unterschiedliche Tierfelle. Auch bei den Essgewohnheiten gibt es variierende Arten der Zubereitung. Dennoch gehören alle Mafwe demselben Kulturkreis an und residieren unter demselben Chief.
Aber auch bei den Mafwe hat der Fortschritt Einzug gehalten. Heute tragen sie moderne Kleidung, besitzen Autos und Handys. Gerade die Jugendlichen sind von der westlichen Kultur geprägt. Um die Traditionen und die Kultur der Mafwe nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, hat die deutsch-namibischen Organisation „Living Culture Foundation Namibia“ das „Lebende Museum der Mafwe“ gebaut.
Ein Dorf, wie es das in vorkolonialen Zeiten gegeben hat, stellt das „Lebende Museum der Mafwe“ dar. Dort wird präsentiert, wie die Mafwe einmal gelebt haben. Die Einwohner zeigen den Gästen ihre Tänze, lassen die Besucher die traditionellen Gerichte probieren und demonstrieren ihre Methoden zur Herstellung von Schmuck und Werkzeug. Die Produkte der ursprünglichen Handwerkskunst können im gut sortierten Craftshop erworben werden.
Den Einwohnern, die das Museum in Eigenregie führen und ansonsten ihren normalen Tätigkeiten nachgehen, wenn keine Besucher da sind, bietet das Museum eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle. Das Dorf hat nicht nur den Nutzen, die Gäste mit der Kultur der Mafwe bekannt zu machen, auch viele jüngere Mafwe sind mit den Traditionen und Riten ihres Volkes nicht mehr vertraut. Durch das „Lebende Museum“ wird die Kultur der Mafwe bewahrt und an die folgenden Generationen weiter gegeben.
Das Dorf liegt in der Nähe von Singalamwe, etwa 20 Kilometer von Kongola entfernt. Die Gäste können einen etwa zweistündigen Rundgang buchen, dessen krönender Abschluss eine Tanz- und Gesangseinlage ist. Sie können aber auch einen ganzen Tag mit den Dorfbewohnern verbringen.
Zur Zeit ist die „Living Culture Foundation Namibia“ dabei, einen Campingplatz in der Nähe des Dorfes zu errichten. Dann kann dort unter den riesigen Affenbrotbäumen mit Blick auf den Kwando übernachtet werden. Zurzeit ist gegen eine geringe Gebühr das Übernachten in einem nahe gelegenen Bushcamp möglich, allerdings ohne Sanitäranlagen und fließendes Wasser. Weitere Übernachtungsmöglichkeiten bieten die Lodges in der Umgebung.